Musik-Genres für Swing-Tanz

Auf dieser Seite findet Ihr eine kurze Übersicht über die wichtigsten Musik-Stile vom Blues, über Jazz bis hin zum Rock&Roll, die für Swing-Tänzerinnen und Tänzer relevant sind.

Blues

Entstand im Süden der USA aus “Work-Songs” und spiritueller Musik der afro-amerikanischen Bevölkerung bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrunderts.

Charakteristische Merkmale:

  1. Eine festgelegte Harmonie-Abfolge (“chord progression”), die sich laufend wiederholt. In der häufig verwendeten 12-taktigen Form (“12 bar blues”) treten drei verschiedene Harmonien auf.
  2. “Frage-Und-Antwort”-Elemente (“Call-and-Response”), bei denen die Band (oder einzelne Instrumente) eine Passage spielt, die als Antwort auf einen vorangegange Passage z.B. der Sängerin verstanden werden kann.
  3. Die Nutzung von sog. “Blue-Notes”, die sich so mit dem aktuellen Akkord reiben und Spannung erzeugen. Diese Noten werden bewusst meistens etwas tiefer gesungen oder gespielt.

Wichtige Interpreten: Bessie Smith, LaVern Baker, W.C Handy

Beispiel: Bessie Smith – Backwater Blues – 1927

Im “Backwater Blues” von Bessie Smith (“The Empress of Blues”) können alle oben genannten Elemente wiedergefunden werden. Das Schema ist ein “12 bar blues” und fängt wie folgt an:

Intro

Takte 1-2: Vocal: “When it rained five days and the sky turned dark as night” (Aussage)
Takte 3-4: Piano

Takte 5-6: Vocal: “When it rained five days and the sky turned dark as night” (Wiederholung)
Takte 7-8: Piano

Takte 9-10: Vocal: “Then trouble’s takin’ place in the lowlands at night” (Resumé)
Takte 11-12: Piano

Dieses Schema wiederholt sich fortlaufend. Das Piano “antwortet” dabei auf den Gesang jedes Mal auf den Gesang.

Beispiel: Lavern Baker – Back Water Blues – 1958

Gleicher Song mit größerer Besetzung, diesmal “Call-And-Response” zwischen der Sängerin Lavern Baker und dem Saxophon bzw. der gesamten Horn-Sektion.

Beispiel: W.C. Handy – St. Louis Blues – 1922

St. Louis Blues ist ein absolute Gassenhauer unter den Jazz-Standards und einer der am häufigsten eingespielten Songs. Er wurde 1914 komponiert von W.C. Handy (“Father of the Blues”). Diese Aufnahme von 1924 mit dem Meister persönlich am Kornett hat noch eine sehr “eckige” Ragtime-Synkopierung und beginnt mit 16 Takten Tango-Rhythmus, bevor es danach (0:12) in das 12-taktige Blues-Schema geht.

Boogie-Woogie

Populär in Saloons (Barrelhouse) der Holfzfällercamps entlang der entstehenden Eisenbahnstrecken in Texas seit ca. 1910. Daher auch bekannt als Barrelhouse Piano-Style. Typisches Merkmal ist die charakteristische Basslinie meist bestehend aus einer Folge von 8 Viertelnoten pro Takt (“8 beats to the bar”).

Wichtige Interpreten: Pine Top Smith, Meade Lux Lewis, Albert Ammons

Beispiel: Pine Top Smith – Pine Top’s Boogie Woogie – 1928

Der erste Hit mit einem Boogie-Woogie-Piano! Die linke Hand spielt die Basslinie, während die rechte Hand die Melodie spielt bzw. improvisiert.

Beispiel: Pete Johnson and Joe Turner – Roll ‘em Pete – 1938

Boogie-Woogie mit zwei Pianos und Gesang im 12-Bar Blues-Schema. Mit etwas größerer Besetzung und elektrischen Intrumenten würde es klingen wie Rock&Roll!

Beispiel: Tommy Dorsey – Boogie-Woogie – 1938

Big-Band Version von Pine Top’s Boogie Woogie. Die charakteristische Boogie-Basslinie wird im Laufe des Songs von verschiedenen Instrumenten oder Instrumentengruppen gespielt und wandert durch die ganze Band (ab 0:11 von den Posaunen, ab 0:38 vom Klavier, ab 1:00 von den Saxophonen usw.). Es gibt auch immer mal wieder “Call-And-Response” Elemente z.B. 1:37 zwischen Trompeten- und Saxophon-Sektion.

Charleston

Der Charleston war ein Musikstil und ein auch ein Tanzstil, der in den 1920er Jahren sehr bebliebt war. Beide sind benannt nach der gleichnamingen Hafenstadt in South Carolina. Getanzt wurde Charleston so, dass die Füße nach oben geworfen werden, wobei die Knie aber dicht zusammen bleiben. Anders ging es auch in der engen Damenmode der 1920er gar nicht!

Beispiel: Isham Jones Orchestra – The Original Charleston – 1925

In dieser Aufnahme des “Origianal Charleston” spielen die Sxophone ab 0:17 den tpyischen syncopierten Charleston-Rhythmus (“Pah-Pah”, “Pah-Pah”, “Pah-Pah”, “Pah-Pah”).

New Orleans Jazz / Hot Jazz

New Orleans steht wie kein anderer Ort der Welt für die Ursprung des Jazz! Die ersten Jazz-Bands waren eher kleine Besetzungen, üblicherweise mit Trompete, Klarinette und Posaune als Blasinstrumenten. Die Trompete übernimmt häufig die Melodie und wird von der Klarinette im höheren Register umspielt, die Posaune umrahmt die Melodiestimme mit tieferen Tönen. Auf zeitgenössischen Aufnahmen besteht die Rhythmus-Gruppe typischwerweise aus Schlagzeug, Tuba und Banjo. Kontrabass und Gitarre werden erst später verwendet. Ausgeprägte Solos mit individueller, freier Improvisation sind Anfangs eher selten und werden erst durch das musikalische Genie Louis Armstrong populär.

Wichtige Interpreten: Louis Armstrong, Sydney Bechet, King Oliver

Beispiel: King Oliver – Froggie Moore – 1923

Das “Team-Work” von Trompete, Klarinette und Posaune ist in dieser Aufnahme von King Oliver gut zu hören. Der Rhythmus klingt noch recht gerade und erinnert an Ragtime, es “swingt” noch nicht so recht…

Beispiel: Louis Armstrong – Potato Head Blues – 1927

Louis Armstrong & His Hot Seven in der typischen Besetzung für New Orleans Jazz. Sehr dominant ist die Tuba auf den Takten 1 und 3, was dem Song einen “Half-Time-Feeling” gibt. Die einzelnen Musiker treten hier auch schon als Solisten mit Improvisationen hervor.

Swing

Swing war die Pop-Musik der 1930er und 1940er Jahre. Die Popularität von Swing-Musik und das Enstehen der Big-Bands gehen Hand in Hand. Die Horn-Sektion besteht nun aus jeweils etwa 4-6 Trompeten, Posaunen und Saxophonen. Letztere wechseln je nach Arrangement auch auf die Klarinette. Gitarre und Kontrabass haben die Aufgaben von Banjo und Tuba übernommen und bilden zusammen mit dem Schlagzeug die Rhythmus-Gruppe. Dazu kommt noch ein Klavier, und evtl. eine Sängerin oder ein Sänger. Viele Bandleader glänzen zudem noch als Solisten, z.B. Benny Goodman oder Artie Shaw (Klarinette), Tommy Dorsey (Posaune) und Harry James (Trompete).

Der Sound der Rhythmus-Sektion hat sich verändert. Bass und Gitarrre spielen jetzt “4 beats to the bar”. Die 4 Schläge pro Takt sind jetzt also eher gleichberechtigt. Dazu treibt der Schlagzeuger die Band mit synkopierten Noten auf den Becken (“ride cymbal”) an. Das führt dazu, dass der Rhythmus der Swing-Musik eher gleichmäßer fließend wird, während im frühen Jazz eher stampfend ist.

Die Arrangements sind häufig durchkomponiert, bieten aber auch Raum für improvisierte Solos einzelner Instrumente. Der Rest der Horn-Sektion untermalt die Soli häufig mit “Riffs”, kurzen, treibenden Passagen über wenige Takte, die sich immer wiederholen. Oft gibt es “Call-And-Response”-Elemente zwischen einzelnen Sektionen der Band.

Wichtige Interpreten: Fletcher Henderson, Count Basie, Duke Ellington, Benny Goodman, Artie Shaw, Ella Fitzgerald, Jimmy Rushing, Harry James, Tommy Dorsey

Beispiel: Fletcher Henderson – New King Porter Stomp – 1932

Fletcher Henderson war einer der frühen Pioniere des Swing. Die Solisten sind in dieser Aufnahme recht laut ausgesteuert, daher hört man die Rhythm-Sektion und die Riff unter den Solos nicht so gut, sie sind aber da! Am besten mit Kopfhörern anhören.

Beispiel: Duke Ellington – Cotton Tail – 1940

Cotton Tail stampft am Anfang gut los, aber mit dem Einsatz des ersten Saxophon-Solos (0:30) wechselt der Schlagzeuger auf das “ride-cymbal” und der klassische Big-Band-Swing Sound stellt sich ein.

Beispiel: Count Basie – One O’Clock Jump – 1937

One O’Clock Jump ist der “Signature-Song” von Count Basie und seiner Big Band. Das Intro spielt der Meister selbst am Klavier. Danach setzen sofort die Solisten ein, jeweils untermalt mit Riffs aus der Horn-Sektion.

Jump Blues

Jump Blues entwickelte sich aus dem Stil der Big Bands von Lionel Hampton und Lucky Millinder in den späten 1940er Jahren und wird in kleinerer Besetzung von typischerweise 5-7 Musikern gespielt. Einer der Hauptinterpreten war der Saxophonist Louis Jordan and His Tympany Five.

Charakteristische Elemente von Jump Blues sind:

  1. Verschmelzung von Swing und Blues
  2. Stärker “stampfender” Rhythmus als im Swing
  3. Boogie-Woogie Basslinie
  4. Kurze und prägnante Bläsersätze (Riffs)

Wichtige Interpreten: Louis Jordan, Louis Prima, Jonah Jones, Big Joe Turner, Wynone Harris

Beispiel: Lionel Hampton – Flying Home – 1942

Der “stampfende” Rhythmus von Lionel Hamptons Big Band in Flying Home wird wegweisend für den späteren Jump Blues.

Beispiel: Louis Jordan – Barnyard Boogie – 1948

Beispiel: Louis Jordan – Saturday Night Fish Fry – 1949

Eine der ersten Aufnahmen mit verzerrter Gitarre

Beispiel: Jonah Jones – My Blue Heaven – 1957

Rhythm & Blues (R&B)

Die Abgrenzung von R&B zu Jump Blues ist nicht immer ganz einfach und die Musik vieler Interpreten wurde sowohl unter dem einen oder dem Namen vermarktet. Die Besetzung von R&B Bands rückt aber tendenziell die elektrischen Gitarren mehr in den Vodergrund und Trompete und Poasune verschwinden zu gunsten des Saxophon. Anfangs war R&B stark von Blues geprägt, später auch mehr von Gospel und Soul Musik und führte schließlich hin zu Rock&Roll.

Wichtige Interpreten: Johnny Otis, Ruth Brown, Elvis Presley, Sam Cooke

Beispiel: Johnny Otis – Double Crossing Blues – 1951

Beispiel: Ruth Brown – Mama He Treats Your Daughter Mean – 1955

Ruth Brown (“Queen of R&B”)

Rock & Roll

Im Rock & Roll (R&R) fließen schließlich die Einflüsse von Gospel, Boogie-Woogie, Jazz, Jump Blues, Rhythm & Blues und Country Musik zusammen. Frühe R&R Bands spielten noch in der Jump Blues Besetzung, aber elektrische Gitarren stehen bald im Zentrum der Band.

Wichtige Interpreten: Little Richard, Bill Haley

Beispiel: Bill Haley – Rock Around The Clock – 1956

Eine der ersten Rock&Roll Aufnahmen basierend auf einem 12bar-Blues.

Beispiel: Little Richard – Long Tall Sally – 1956

Der Schlagzeuger spielt hier eine sehr starke Betonung auf dem Back-Beat (2 und 4) auf der Snare-Drum, sehr typisch für viele R&R Aufnahmen.